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Gerechtigkeit

 

C. Gerechtigkeit im Sozialismus als Alternative

„Proletarische Revolutionen (…) kritisieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem eigenen Lauf, kommen auf das scheinbar Vollbrachte zurück, um es wieder von neuem anzufangen, verhöhnen graumsam-gründlich die Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten ihrer ersten Versuche, scheinen ihren Gegner nur niederzuwerfen, damit er neue Kräfte aus der Erde sauge und sich riesenhafter ihnen  gegenüber wieder aufrichte, schrecken  stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen:
Hic Rhodus, hic salta!
Hier ist die Rose, hier tanze!
(Marx, in: MEW 8, S. 118)


Kritik der Reduktion der Gerechtigkeit auf distributive

Jeder, der eine gerechte Gesellschaft anstrebt, muss also das Kapital und seine ganze Produktionsweise abschaffen. Die heutigen Gerechtigkeits-Diskussionen beschränken sich auf Gerechtigkeit innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise, sie abstrahieren dadurch von der großen Ungerechtigkeit, die das Herrschaftssystem des Kapitalismus selbst darstellt. Insofern haben Diskussionen über die Höhe des Kindergeldes, der Pflegesätze, der Besteuerung usw. immer auch eine ideologische Schieflage, wenn man nicht auch auf die allgemeine Ungerechtigkeit der kapitalistischen Ökonomie hinweist. Gar den Kapitalismus dadurch verbessern zu wollen, dass man Verteilungsgerechtigkeit fordert, ist blanke Ideologie. So fordert Rawls “Theorie der Gerechtigkeit“ „Fairness und Gleichheit“, er legt eine „egalitäre Gesellschaft nahe, als wir sie in irgendeiner rechtsstaatlichen Demokratie mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung heute haben. Er erwägt eine breite Streuung des Eigentums und eine stärkere Begrenzung des Erbrechts, um den fairen Wert der politischen Freiheiten zu sichern (…) Es genügt nicht, dass der Staat die Verteilung wirtschaftlicher Güter nachträglich korrigiert, die Konzentration von Kapital in wenigen Hängen aber hinnimmt. Besser wäre es, er würde wirtschaftliche Machtbildungen von vornherein verhindern.“ (wiedergegeben von Ladwig: Gerechtigkeitstheorien, S. 180)
Rawls will also explizit keine Abschaffung des Kapitalismus, sondern nur eine distributive Gerechtigkeit. Solche inkonsequenten Vorstellungen hatte Marx schon im 19. Jahrhundert widerlegt.
„Die jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der Verteilung der Produktionsbedingungen selbst; letztere Verteilung aber ist ein Charakter der Produktionsweise selbst. Die kapitalistische Produktionsweise z. B. beruht darauf, daß die sachlichen Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt sind unter der Form von Kapitaleigentum und Grundeigentum, während die Masse nur Eigentümer der persönlichen Produktionsbedingungen, der Arbeitskraft, ist. Sind die Elemente der Produktion derart verteilt, so ergibt sich von selbst die heutige Verteilung der Konsumtionsmittel. (…) Der Vulgärsozialismus (und von ihm ein Teil der Demokratie) hat es von den bürgerlichen Ökonomen überkommen, die Distribution als von der Produktionsweise unabhängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen.“ (Marx: Kritik des Gothaer Programms, S. 22)
Das aber ist nach Marx eine Illusion. Die schöne Theorie über Verteilungsgerechtigkeit, wie sie u. a. von Rawls propagiert wird, wird von einer „fortschrittlichen“ Intelligenz begierig aufgegriffen, sie ist aber nur der ideologische Schein der wirklichen Verteilung materiellen Reichtums. Real ist die Spanne von Reichtum und Armut noch nie so groß in der Geschichte gewesen wie heute. Das ist auch kein Wunder, wenn das Kapital „auf progressiver Stufenleiter“ (Marx: Kapital I, S. 607) akkumuliert, während die Lohnabhängigen bloß ihre Lebensmittel auf dem jeweiligen historischen Stand der Kulturentwicklung erneuert bekommen.

Geschichtsphilosophische Voraussetzungen


Nun könnte man diese moralische Forderung nach Gerechtigkeit, weil sie keine Bedeutung in der bestehenden Gesellschaft hat, als utopische ablehnen, wenn Gerechtigkeit im kantischer Bedeutung tatsächlich unmöglich wäre. Doch dem ist nicht so. Die Geschichte ist nicht nur eine Abfolge von Kriegen und Konflikten, von Ausbeutung und Zwangsarbeit, von Ungerechtigkeiten und Verbrechen oder  - wie Walter Benjamin sagt – eine Anhäufung von Trümmern auf Trümmern. In der philosophischen Reflexion dieser faktischen Geschichte braucht die Vernunft diese nicht nur fatalistisch zu registrieren, wie das die bürgerlichen Historiker meist tun, sondern sie kann sich auch gegen den faktischen Verlauf stellen und die besseren Möglichkeiten der Gegenwart herausarbeiten und den handelnden Subjekten als Alternative vorstellen.
Die Etablierung des Industriekapitalismus im 19. Jahrhundert hat nicht nur die Massen zu ausbeutbaren Lohnabhängigen gemacht, die Akkumulation des Kapitals ist nicht nur über die Schranken der Nationalstaaten hinausgegangen und hat eine imperialistische Periode der Weltgeschichte eingeleitet, sie hat auch eine Entwicklung der Produktivität erzeugt und sie bis an die Schwelle der Automation geführt, sodass auch neue Möglichkeiten entstanden sind, Alternativen zum faktischen Geschichtsverlauf sich zeigen. So schrieben Marx und Engels schon im „Kommunistischen Manifest“:
„Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisses fortwährend zu revolutionieren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen. Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisieepoche vor allen anderen aus.“ (Marx/Engels: Kommunistisches Manifest, S. 465) (7)
Diese permanente Revolutionierung der Produktionsmittel führt zu Marx‘ Zeit bis an die Schwelle der automatischen Produktion. Darauf geht Marx in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ ein.
„Sobald die Arbeitsmaschine alle zur Bearbeitung des Rohstoffs nötigen Bewegungen ohne menschliche Beihilfe verrichtet und nur noch menschlicher Nachhilfe bedarf, haben wir ein automatisches System der Maschinerie, das indes beständiger Ausarbeitung im Detail fähig ist. (…) als ein Beispiel sowohl der Kontinuität der Produktion als der Durchführung des automatischen Prinzips kann die moderne Papierfabrik gelten.“ (Marx: Kapital I, S. 402) Wobei England um 1865 das „Muster der automatischen Fabrikation in diesem Zweig“ liefert (ebda.).
Setzt sich die automatische Produktion auch in anderen Industriezweigen durch, und das ist heute tendenziell der Fall, dann haben wir die Situation, die bei Aristoteles nur ein Gedankenspiel war: Die Herren brauchen keine Knechte mehr – oder genauer: Herrschaft wird überflüssig. Der Kapitalismus schafft die materiellen Bedingungen, die dieses Herrschaftssystem obsolet machen, ja, jegliche Art der Herrschaft wird objektiv unnötig, um Fortschritt und Kultur zu ermöglichen.
Die Hoffnung, dass die Lohnabhängigen auch subjektiv die Herrschaft abschaffen werden, setzte Marx in die Erfahrung der Krisen des Systems. Kapitalismus bedeutet nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch periodische Krisen. „In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion.“ (Marx/Engels: Kommunistisches Manifest, S. 468) Die Verelendung durch die Krisen sollte das Proletariat zu einer Revolution bewegen, die Herrschaft in der Geschichte abschafft. „Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise und damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen.“ (A. a. O., S. 472) Diese Revolution soll nach Marx und Engels „unvermeidlich sein“; selbst im „Kapital“ spricht Marx noch von der „Notwendigkeit eines Naturprozesses“ einer solchen Revolution (a. a. O., S. 791), obwohl er es sonst ablehnt, die kapitalistische Gesetzlichkeit als Naturgesetze anzusehen (vgl. a. a. O., S. 649).
Gegen die Hoffnung auf Revolution steht die Einsicht von Marx über die Gebundenheit der Arbeitenden an das Kapital (vgl. a. a. O., S. 647). Entscheidend aber ist, dass alle ökonomischen und sozialen Bedingungen im Menschen nur über seinen Verstand und seinen freien Willen bzw. die „Freiheit der Willkür“ wirken. Es gibt in der Geschichte keinen Determinismus – das war die Lebenslüge Lenins und des auf ihm fußenden Marxismus-Leninismus. Diese Kritik ändert aber nichts daran, dass eine Abschaffung des Kapitalismus nicht nur auf Grund der Alternative zwischen Barbarei und Sozialismus nötig ist. Heute droht sogar auf Grund der Entwicklung der Produktivkräfte, die bisher immer auch als Destruktivkräfte eingesetzt wurden, der Untergang der Spezies Mensch. Die Alternative lautet also heute: Physische Vernichtung der Menschheit durch den Kapitalismus oder Sozialismus. Dass dieser Sozialismus immer auch ein moralisches Element beinhalten muss, sagen die Theoretiker des Kommunismus schon im „Manifest“:
„An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ (Marx/Engels: Kommunistisches Manifest, S. 482)
Gerade weil es auf die handelnden Subjekte ankommt, ist es angebracht, den Begriff der Gerechtigkeit zu reflektieren, wie er in einer sozialistischen Gesellschaft sein sollte.
Damit Herrschaft abgeschafft werden kann, und das heißt konkret, die Herrschaft des Kapitals, bedarf es lediglich des Willens der Lohnabhängigen, sich nicht länger ausbeuten und in ihrem Menschsein zum bloßen Mittel degradieren zu lassen, also einen Zustand der Gerechtigkeit herzustellen. Was ökonomisch gerecht ist, hat Marx u. a. in der „Kritik des Gothaer Programms“ bestimmt, was moralisch gerecht ist, hat er leider nicht in dieser Klarheit aufgezeigt. Dazu muss man sich an Kant und seine Moralphilosophie wenden.

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Letzte Aktualisierung:  02.10.2014

                                                                       
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